Die Mär von gesunden und ungesunden Lebensmitteln

„Ampel-Plus“-Steuerstaffelung basiert auf falschen Annahmen

Die Mär von gesunden und ungesunden Lebensmitteln

Foto: Fotolia / Syda Productions / (No. 5940)

sup.- Mit einem gestaffelten System der Mehrwertsteuer für Lebensmittel soll die Politik dafür sorgen, dass die deutsche Bevölkerung schlanker wird. Diese Forderung erheben Organisationen wie die Deutsche Adipositas Gesellschaft, die Deutsche Diabetes Gesellschaft und die Deutsche Diabetes Stiftung. Dabei berufen sie sich auf eine Studie des Betriebswirts PD Dr. Tobias Effertz (Universität Hamburg), in der die theoretischen Auswirkungen auf das Ernährungsverhalten und das Gewicht der Menschen durch solch eine Staffelung eingeschätzt wurden.

Die Ergebnisse sind nicht nur sehr hypothetischer Natur, sie basieren vor allem auf einer grundsätzlich falschen Annahme: der Mär von gesunden und ungesunden Lebensmitteln. Der Betriebswirt vielleicht nicht, doch die Fachgesellschaften sollten es eigentlich besser wissen: Die moderne Ernährungswissenschaft rechtfertigt eine Kategorisierung in gesunde bzw. ungesunde oder adipogene Lebensmittel schon lange nicht mehr. Exakt diese Einteilung ist jedoch Grundlage für die angestrebte Steuerstaffelung. Die Gründe, weshalb solch eine simple Bewertung von Lebensmitteln wenig sinnvoll ist, sind relativ leicht nachvollziehbar. Darauf weist Dr. Thomas Ellrott, Leiter des Instituts für Ernährungspsychologie an der Universitätsmedizin Göttingen, hin. Auch typisch als gesund bezeichnete Lebensmittel wie beispielsweise Obst und Gemüse enthalten längst nicht alle lebensnotwendigen Nährstoffe. Erst die Kombination vieler verschiedener Lebensmittel deckt den Bedarf des Körpers optimal. „Deshalb ist eine Unterscheidung in gesund und ungesund absurd“, so Dr. Ellrott. „Es kommt vielmehr auf das wie viel, wie oft und in welcher Kombination an.“

Nicht ein einzelnes Produkt, sondern die Gesamtheit aller Lebensmittel entscheidet somit über die Qualität und Ausgewogenheit der Ernährung, und dies natürlich immer in Relation zum Niveau des täglichen Bewegungspensums. Wegen dieser doch deutlich höheren Komplexität ist der von den Fachgesellschaften gerne herangezogene Vergleich mit den Auswirkungen einer erhöhten Tabakbesteuerung, die zu einem rückläufigen Konsum geführt hat, mehr als fragwürdig. Denn unbestritten gilt: Auch im Rahmen einer insgesamt ausbalancierten Lebensweise ist jede Zigarette ungesund. Das gilt für Fastfood und Süßigkeiten, die mit 19 Prozent besteuert werden sollen, genauso wenig wie für Softdrinks, für die sogar 29 Prozent Strafsteuern empfohlen werden.

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Redaktion Ilona Kruchen

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