Neue Glasfaserstudie in Brüssel vorgestellt: Entbündelung macht den Unterschied

Glasfasernetze, die auch entbündelt werden können (Point-to-Point Netze und WDM PON Netze), führen zu größeren gesamtwirtschaftlichen Vorteilen als Netze, in denen nur ein Bitstromzugang für Wettbewerber möglich ist (Point-to-Multipoint Netze wie GPON). Zu diesem Schluss gelangt eine von WIK-Consult für die Vodafone Group UK durchgeführte Studie, die jetzt in Brüssel vorgestellt wurde. Point-to-Point Glasfaseranschlussnetze kosten mit ca. 10% nur wenig mehr als Point-to-Multipoint Netze. Die höheren Investitionskosten werden jedoch, so die Studie, durch den höheren Nutzen für private und geschäftliche Nutzer mehr als aufgewogen.

Die Studie kommt zum richtigen Zeitpunkt: Ist doch im Zuge der Empfehlung der Europäischen Kommission zur regulatorischen Behandlung von Glasfaseranschlussnetzen der nächsten Generation (Next Generation Access) die Debatte um die beste Architektur für die Weiterentwicklung der Anschlussnetze hochaktuell. Zurzeit ist der tatsächliche Ausbau von FTTH (Fibre to the home) in Europa jedoch immer noch schleppend. Und: Vorwiegend kommt dabei GPON Technologie zum Einsatz, die heute auf einer Point-to-Multipoint Topologie im Anschlussnetz aufsetzt. Die hohen Anfangsinvestitionen und die lange Lebensdauer von Glasfasernetzen führen dazu, dass die heutigen Investitionsentscheidungen den Rahmen von Wettbewerb und Regulierung für viele Jahre festlegen. Vor diesem Hintergrund hat WIK-Consult deshalb für die Vodafone Group die Kosten verschiedener Glasfaserarchitekturen auf Basis eines Kostenmodells verglichen.

„Die wichtigste Investitionsentscheidung betrifft die Topologie des Anschlussnetzes“, so WIK-Consult-Geschäftsführer Dr. Karl-Heinz Neumann. In einer Point-to-Point Topologie wie in den heutigen Kupfernetzen hat jeder Kunde seine eigene Anschlussleitung zur Zentrale. Diese Leitung kann, so schreibt es das Telekommunikationsgesetz vor, von anderen Netzbetreibern angemietet werden (Entbündelung). In Point-to-Multipoint Netzen werden dagegen die Kundenanschlüsse an einer Stelle zwischen Kunde und Zentrale zusammengefasst und danach gemeinsam zur Zentrale geführt. Solche Netze lassen sich dann nicht mehr in der Zentrale entbündeln, nur ein gebündelter Bitstromzugang ist noch möglich. Typischerweise setzt man GPON Technik zur Beleuchtung solcher Topologien ein. Die Kostenanalyse von WIK-Consult zeigt in Übereinstimmung mit vorherigen Modellrechnungen, dass GPON die günstigste und Ethernet Point-to-Point die teuerste Variante darstellt. Allerdings: Die Unterschiede liegen – umgerechnet auf monatliche Kosten – jedoch bei weniger als 10%.

Neben der Kostenanalyse ist das Ziel der Studie die Untersuchung des Einflusses der Technologiewahl und der dadurch determinierten Vorleistungsoptionen auf den Wettbewerb. Erstmalig hat WIK Consult zu diesem Zweck mit einem spieltheoretischen Wettbewerbsmodell einen neuen Ansatz entwickelt, der gleichzeitig Marktein- oder Austritt, Preisbildung, Marktanteile, Konsumenten- und Produzentenrente sowie Wohlfahrt ermitteln kann. Dabei wurden nicht nur die Netzkosten für verschiedene Architekturen vollständig abgebildet. Auch die auf Entbündelung oder Bitstromzugang basierenden Geschäftsmodelle von Wettbewerbern werden zum ersten Mal vollständig abgebildet. Die Ergebnisse berücksichtigen auch die Kabelnetze als Wettbewerber im Markt.
Neuman: „In allen Fällen zeigt sich, dass die auf Point-to-Point Topologie basierenden Architekturen zu höheren gesamtwirtschaftlichen Vorteilen führen, was sich auch in verschiedenen Sensitivitätsrechnungen bestätigte.“ Dabei ist weniger klar, welche der beiden Punkt-zu-Punkt Varianten vorzuziehen ist. Die als potenzielle Zukunftstechnologie erstmals modellierte und auf Wellenlängenmultiplex basierende WDM PON Technik kann unter bestimmten Voraussetzungen auch die beste Architektur sein. „Dafür müssten aber zum einen Endgeräte und Netztechnik deutlich günstiger und standardisiert werden.“, erklärt Neumann. „Zum anderen müssten, um die Vorteile dieser Technik voll ausspielen zu können, ein Großteil der heutigen Hauptverteilerstandorte aufgegeben werden.“

Die Studie bestätigt auch, wie sensibel die Marktmöglichkeiten von Wettbewerbern auf die Höhe der Vorleistungspreise bei Glasfasernetzen reagieren. „Auch wenn die Vorleistungspreise nur moderat über den effizienten Kosten liegen“, so Neumann zusammenfassend, „sinkt die Reichweite des Wettbewerbs, so dass höhere Marktanteile für ein erfolgreiches Geschäftsmodell erforderlich werden.“

Die Studie steht auf www.wik.org zum Download zur Verfügung.

Das WIK (Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste) wurde 1982 als Ideenschmiede des damaligen Postministeriums gegründet und hat sich inzwischen zum bedeutendsten Forschungs- und Beratungsinstitut für Kommunikationsdienste in Deutschland entwickelt. Es befasst sich mit Marktregulierung und Sektorpolitik in den Bereichen: Post, Telekommunikation, Strom, Gas, Wasser, Abwasser, und Transport. Zum WIK gehört außerdem die WIK-Consult, die die Expertise des Hauses für Beratungsanliegen von Kunden im Bereich der Privatwirtschaft sowie öffentlicher Institutionen zugänglich macht. Die WIK-Consult ist eine Tochtergesellschaft des WIK. WIK und WIK-Consult haben in Summe 50 Beschäftigte.

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